Die Bundesregierung hat in der Corona-Krise die Mehrwertsteuer gesenkt, um die Kaufkraft anzukurbeln. Welche Auswirkungen die Steuersenkung auf die gebeutelte Wirtschaft hat und was sonst noch drin steckt im 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket, lesen Sie hier.
470.000. Ausgeschrieben: vierhundertsiebzigtausend. Als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Zahl der Betriebe bekannt gab, die allein im März krisenbedingt Kurzarbeit angemeldet hatten, konnte einem glatt schwindelig werden. Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft nahezu komplett lahmgelegt, insbesondere den Mittelstand traf die Krise mit voller Wucht. Als Reaktion auf die ökonomische Katastrophe hat die Bundesregierung im Rahmen eines Schutzprogramms erst das Kurzarbeitergeld und die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld erhöht. Nun hat sie ein umfangreiches Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. 130 Milliarden Euro stellt der Bund zur Verfügung, um Betrieben und Unternehmen wieder auf die Beine zu helfen, die Kaufkraft zu erhöhen und so den Konsum anzukurbeln.
Was steckt drin im Konjunkturpaket?
Die wohl prominenteste Maßnahme ist die Senkung der Mehrwertsteuer. Sie sinkt vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 von 19 auf 16 Prozent, und mit ihr die Umsatzsteuer (die steuerrechtlich ein und dasselbe meint) von sieben auf fünf Prozent. Weiter sollen Ausbildungsbetriebe belohnt werden, die in der Krise an ihren Azubis festhalten oder sogar neu einstellen. Familien mit Kindern erhalten einen Bonus aufs Kindergeld, insbesondere Alleinerziehende werden begünstigt (mehr dazu weiter unten).
Wer profitiert von der Mehrwertsteuersenkung?
Im Optimalfall entsteht eine „Win-Win-Win-Situation“, wenn man so will. Verbraucher, Unternehmer und Bund sollen gleichermaßen profitieren. Verbraucher, weil sie mehr bekommen für ihr Geld und so die Nachfrage steigt. Unternehmen und Betriebe, weil Umsätze steigen und sich Auftragsbücher füllen. Der Bund, weil er zwar zunächst mit 20 Milliarden Euro Ausgaben, dann aber mit umso höheren Steuereinnahmen rechnet. Laut Statistischem Bundesamt würden die Preise in Summe um 1,6 Prozent fallen – bei vollständiger Weitergabe an den Verbraucher.
Tatsächlich aber muss sich zeigen, ob Händler die Steuersenkung auch direkt an ihre Kunden weitergeben, entsprechend ihre Preise senken und auf den Faktor stärkere Nachfrage setzen. Oder ob sie die Preise unverändert lassen und schlussendlich einfach weniger Umsatzsteuer abführen. Gerade akut existenzbedrohte Betriebe könnten nämlich zunächst darauf aus sein, ihre Gewinnspanne zu maximieren. Zur Preissenkung verpflichtet hat der Gesetzgeber sie jedenfalls nicht.
Ist der Aufwand tatsächlich so groß?
Der Aufwand sei gewaltig, die damit verbundenen Kosten auch, stöhnen der Einzelhandel, das Handwerk, Dienstleister und produzierendes Gewerbe unisono. Sie alle müssen vollständig umpreisen, das heißt ihre Kassensysteme und Warenwirtschaften, ihre Buchhaltungen und Online-Shops auf den gesenkten Steuersatz umstellen. Und da sind bereits getätigte Anzahlungen für nach dem 1. Juli erbrachte Leistungen, laufende Leasing-Verträge oder Gutschein-Regelungen noch gar nicht inbegriffen. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Das Bundesfinanzministerium jedenfalls spricht von einem „kräftigen Nachfrageimpuls“ und hält den Zeitpunkt für „klug gewählt“. Kritiker monieren indes, dass die insgesamt recht niedrigen Preissenkungen kaum einen zusätzlichen Kaufanreiz bieten würden. Ob der hohe administrative Aufwand – samt Rückabwicklung am Jahresende – die positiven Effekte der Steuersenkung rechtfertigt, bleibt also abzuwarten.
In der besonders arg gebeutelten Gastronomie sinkt der Steuersatz ab dem 1. Juli von 19 auf sieben Prozent und nun im Zuge des Konjunkturpakets weiter auf fünf Prozent. Aber: Das gilt nur für Speisen. Für Getränke wird nach wie vor der (nun gesenkte) Regelsteuersatz fällig, bis zum 31. Dezember also 16 Prozent.
Was passiert mit den Azubis?
Azubis sind die Zukunft des Mittelstands, und in die will investiert werden. Daher werden Betriebe, die Azubis während der Pandemie halten oder sogar neu einstellen, nun belohnt: Der Staat zahlt Firmen, die in der Corona-Krise trotz finanzieller Schwierigkeiten weiter ausbilden, bis zu 3.000 Euro Prämie. Allerdings gilt die Regelung nur für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) mit einer Belegschaft von bis zu 249 Personen. Die Zuschüsse für KMUs sollen möglichst schnell ausgezahlt werden.
Die Regelung im Detail: Wem der Umsatz weggebrochen ist oder wer seine Belegschaft in Kurzarbeit schicken musste und dennoch weiter ausbildet wie in den vergangenen drei Jahren, soll einmalig 2.000 Euro bekommen – und zwar für jeden Ausbildungsvertrag, der in diesem Jahr abgeschlossen wurde. Wer sogar zusätzliche Azubi-Plätze geschaffen hat, wird mit 3.000 Euro belohnt. 3.000 Euro soll auch bekommen, wer Azubis von anderen Betrieben übernimmt, die die Krise nicht überlebt haben. Und: Wer seine Ausbilder*innen und Azubis nicht in Kurzarbeit schickt, dem will der Staat helfen, indem er 75 Prozent des Azubi-Gehalts übernimmt.
Was ändert sich sonst noch ab dem 1. Juli?
- Kindergeld-Bonus: Zweiter großer Bestandteil des Konjunkturpakets ist ein Kindergeld-Bonus in Höhe von 300 Euro für jedes berechtigte Kind. Im September fließen 200 Euro, im Oktober dann noch einmal 100 Euro. Dieser Bonus wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Bei finanziell Bessergestellten wird der Bonus mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet. So sollen vor allem Familien mit geringem Einkommen profitieren. Für die in der Corona-Krise besonders belasteten Alleinerziehenden wird der Entlastungsbeitrag (der wirkt wie ein Freibetrag) für die Jahre 2020 und 2021 angehoben – von 1908 Euro auf 4000 Euro.
- Neuer Mindestlohn in der Altenpflege: Neue Mindestlöhne gelten ab dem 1. Juli in der Altenpflege. Der Mindestlohn für ungelernte Hilfskräfte steigt in den alten Bundesländern von 11,35 Euro auf 11,60 Euro pro Stunde, in den neuen Bundesländern gibt es ab sofort 11,20 Euro statt wie bisher 10,80 Euro zu verdienen. Pflegefachkräfte in West- und Ostdeutschland erhalten neuerdings mindestens 15 Euro in der Stunde und fünf Tage mehr Jahresurlaub. Das ist besonders, denn bisher gab es keinen eigenen Mindestlohn für Fachkräfte in der Altenpflege, sondern nur die oben erwähnte allgemeine Lohnuntergrenze.
- Höhere Rentenbezüge: Zum zehnten Mal in Folge erhöhen sich zudem die Rentenbezüge, nämlich um 3,45 Prozent im Westen und 4,2 Prozent im Osten. Die sogenannte Standardrente (die rechnerisch jeder bekäme, der 45 Jahre lang als Durchschnittsverdiener eingezahlt hat), steigt damit auf 1538 Euro in den alten Bundesländern(plus 51 Euro) und 1495 Euro in den neuen (plus 60 Euro). Allerdings rechnet die Deutsche Rentenversicherung im kommenden Jahr zumindest im Westen erstmals seit 2010 wieder mit einer Nullrunde.